Stelle dir einmal vor: du sitzt in einem Café. Das Café ist überfüllt. Überall klirrt Geschirr und du hörst Leute reden. Manche sitzen arbeitend an ihrem Rechner und andere unterhalten sich einfach nur. Du trinkst einen Cappuccino, isst ein Stück Kuchen und sitzt an dem Platz, an dem du immer sitzt. Den Cappuccino trinkst du mit zwei Stück Zucker. Alles wie immer.
Oder denke an deinen Weg zur Arbeit. Du stehst um Punkt 6 Uhr auf und steigst um 6.45 in dein Auto. Zuvor hast du dir einen Kaffee gemacht, den du auf der Autofahrt trinkst. Du fährst die selbe Route, die du immer fährst. Doch wieso wählst du denselben Weg Tag für Tag, obwohl du auch Alternativen hast? Wieso trinkst du den Cappuccino immer gleich und sitzt an dem selben Platz wie immer? Die einfache Antwort ist: es sind deine Gewohnheiten. Doch wie entstehen Gewohnheiten und sind alle nützlich? Viel zu oft folgen wir Gewohnheiten, ohne sie zu hinterfragen. Manche Gewohnheiten sind nützlich und manche sind schädlich. Warum tust du also das, was du tust? Damit möchte ich mich heute ein wenig beschäftigen.
Alltägliche Gewohnheiten und soziale Normen
Nehmen wir das Beispiel der festen Essenszeiten: Frühstück am Morgen, Mittagessen um zwölf, Abendessen am Abend. Dieser Rhythmus scheint natürlich, ist aber weitgehend kulturell bestimmt und variiert stark von Land zu Land. Dabei sind das einfach nur Gewohnheiten, die du entwickelt hast aufgrund deines Umfeldes. Und viel zu selten hinterfragst du das. Das Gefährliche hierbei ist jedoch, dass wir ungefragt Gewohnheiten und soziale Normen von Leuten übernehmen, die nicht dienlich sind. Wir gewöhnen uns bspw. an jeden Morgen mit Kaffee zu starten und bekommen das Gefühl, dass wir das brauchen. Oder noch schlimmer: direkt erst einmal eine rauchen. Eine Gewohnheit, die ich mir wieder abtrainiere, ist es morgens als erstes zum Handy zu greifen. Und ehe ich mich versehe sind 20 Minuten vergangen…
Manche Gewohnheiten sind hierbei auch einfach kulturell bedingt. Wusstest du, dass es in China normal und sogar erwünscht ist beim Essen zu schmatzen, sich die Nase zu putzen und zu schlürfen? Eine andere Kultur mit anderen Sitten und dementsprechend auch Gewohnheiten.
Gewohnheiten sind die unsichtbaren Treiber
Unser Verhalten wird von einer komplexen Mischung aus sozialen, kulturellen und psychologischen Faktoren bestimmt. Diese Faktoren sind oft so tief in uns verankert, dass sie fast unsichtbar sind. Auch wenn wir glauben, dass wir immer bewusst handeln, tun wir viel zu viele Dinge unbewusst.
Lass mich dir ein Beispiel geben. Schaue dir dieses Video einmal an:
Wir treffen viele unserer Entscheidungen, um in eine Gruppe zu passen oder soziale Konflikte zu vermeiden. Das beginnt bei der Wahl unserer Kleidung, geht zu Ritualen und endet bei unseren politischen Meinungen. Eine politische Meinung ist zwar keine Gewohnheit, doch etwas, was wir uns angewöhnen aufgrund unseres Umfelds. Und da wir nicht sozial ausgestoßen werden, wählen wir die Partei, die unser Umfeld wählt. Wir übernehmen soziale Normen. Genau wie die Dame im Video.
Unser Umfeld spielt vermutlich die größte Rolle
Genauso spielt dein Umfeld und damit auch deine Kultur, in der du aufwächst, eine unglaublich große Rolle. Die Kultur, in der wir aufwachsen, formt unsere Vorstellungen von Normalität. Was in einer Kultur als höflich gilt, kann in einer anderen als fremd empfunden werden. Und dadurch entwickeln sich Gewohnheiten.
Ich merke die Unterschiede selbst immer zwischen der deutschen und der türkischen Kultur. Ich mag diese Unterschiede, da es gleichzeitig auch interessant und spannend ist. Doch unabhängig davon gibt es soziale Normane, die viele Menschen nicht hinterfragen. „Es ist einfach so.“
Deine eigenen Erfahrungen führen zu Glaubenssätzen. Und diese führen zu Gewohnheiten. Und das führt zu deinem Verhalten.
Als ich ein kleines Kind gewesen bin und laufen gelernt habe, ist mir eines passiert: ich wollte austesten, ob die Herdplatte wirklich heiß ist. Meine Mutter hatte mir zwar schon oft gesagt, dass ich dort nicht drauf greifen soll, doch für mich galt „Versuch macht klug“. Ich möchte dir hierbei nur eines veranschaulichen: wir lernen aufgrund unserer persönlichen Erfahrung. Wir tun Dinge, weil wir in der Vergangenheit entweder positive oder negative Erfahrungen gemacht haben. Dabei gibt es jedoch eine Gefahr: nur weil eine Sache einmal ein positives Ergebnis hervorgebracht hat, muss es nicht ein Leben lang positiv sein. Häufig anzutreffen ist dies auch bei Führungskräften, die sich schlechte Gewohnheiten angewöhnt haben und es dann als den heiligen Gral ansehen. Wir werden dadurch nur unflexibel und starr.
Die Macht der Bewusstheit
Bewusstheit ist der Schlüssel zur Befreiung von unbewussten Zwängen. Wenn wir beginnen, unsere automatischen Reaktionen zu hinterfragen, können wir Entscheidungen treffen, die mehr im Einklang mit unseren wahren Wünschen und Zielen stehen. Dieser Prozess erfordert Mut und die Bereitschaft, sich mit den eigenen Ängsten und Unsicherheiten auseinanderzusetzen. Bewusstheit ist jedoch etwas positives: wir nehmen Situationen und Verhalten wahr und kommen so überhaupt in die Position es auch verändern zu können. Wenn mir bewusst wird, wann ich genau in die Süßigkeiten-Box greife, zur Zigarette greife, in TikTok Videos anschaue oder auch sonstige Dinge tue, kann ich sie verändern, indem ich die Situation verändere. Denn hinter jeder Gewohnheit steckt auch immer ein Auslöser, der dazu führt, dass du die Gewohnheit ausführst. Es ist eine Strategie, die du selbst entwickelt hast. Und alles, was du selbst entwickelt hast, kannst du auch wieder ändern.
Und was kann ich nun tun, um Gewohnheiten zu verändern?
Es ist nicht leicht, gewohnte Pfade zu verlassen. Die Herausforderung besteht darin, die oft unbequeme Wahrheit zu akzeptieren, dass wir viele unserer Entscheidungen aufgrund von externen Erwartungen treffen. Wir eignen uns viele Gewohnheiten an, weil wir dies einfach ungefragt übernommen haben.
Für mich gibt es hierbei einen 5-Schritte-Plan:
- Bewusstheit: an aller erster Stelle muss ich mir meiner Gewohnheit bewusst werden. Genauso gilt dies auch für Gewohnheiten, die ich stattdessen machen würde (anstelle mich im Bett noch einmal herumzudrehen gehe ich dafür lieber 30 Minuten laufen). Dabei ist für mich immer auch wichtig zu erkennen in welcher Situation, an welchem Ort und wann ich genau diese Gewohnheit mache. Wann, wo und wieso?
- Ziele setzen: welche Gewohnheit möchtest du künftig haben? Und welche Gewohnheit möchtest du dafür aufgeben? Dabei gilt immer: 100% anstreben ist gut, doch gebe ich mich auch mit 90% zufrieden. Denn die Gefahr ist groß die Gewohnheit wieder komplett über Bord zu werfen, wenn es einmal nicht geklappt hat (übrigens ist das ein Grund, weshalb viele mit dem Sport nach ein paar Wochen aufhören…).
- Klein starten: ein simpler Ratschlag ist einfach klein zu beginnen. Wenn ich mir angewöhne jeden Tag 5 Seiten zu lesen, dann habe ich immerhin nach 20 Tagen bereits 100 Seiten. Wenn ich es erst einmal geschafft habe diese Gewohnheit zu etablieren (stelle dir es vor wie den Bau einer Autobahn: am Anfang ist dort nur ein schmaler Weg. Umso öfter du dort entlang fährst, umso fester und größer wird der Weg. Bis es irgendwann einmal eine Autobahn ist… So kannst du dir die Nervenzellen in deinem Gehirn bildlich vorstellen.).
- Erinnerungen: setze dir Erinnerungen und Wecker in dein Handy oder klebe Zettel an den Monitor, um dich daran zu erinnern.
- Tracke deinen Fortschritt: wenn du eine Gewohnheit erfolgreich ausgeführt hast, notiere es dir. Beispielsweise in einem Buch oder auch sichtbar auf einem Whiteboard (das habe ich früher immer im Eingangsbereich hängen gehabt – so war ich gezwungen mich min. 2x täglich damit auseinanderzusetzen – morgens, wenn ich aus dem Haus gegangen bin und am Abend, wenn ich heim gekommen bin.).
In dem nachfolgenden Bild erkennst du gut, wie der Verlauf der Entstehung einer Gewohnheit ist. Am Anfang benötigst du wenig Disziplin, um die Gewohnheit zu starten, weil du maximal motiviert bist (denke bitte hierbei an Fitnessstudios im Januar – am Anfang ist jeder hoch motiviert endlich seine Kilos zu viel abzutrainieren – nach 2 Wochen ist die Motivation gesunken und etwa 50% der Mitglieder verlierst du in den ersten 4 Wochen durch schlechte Integration in den Studiobetrieb – mit richtigen Systemen und Prozessen kannst du diese 50% auf 20% senken. Das ist jedoch ein anderes Thema. Wenn du mehr dazu erfahren willst, schreibe es mir gerne.) Nach diesen zwei Wochen wird es hart: du wirst auf die Bewährungsprobe gestellt, wie sehr du es willst! Wenn du dann jedoch eisern dran bleibst, kehrt auch wieder die Motivation zurück, weil du die ersten richtigen Erfolge sichtbar machst und dein Umfeld es dir auch mitteilt.
Werde dir bewusst, was eine Gewohnheit in 10 Jahren mit deinem Leben machen kann!
Wir alle sind Produkt unserer Umgebung, unserer Erfahrungen und unserer sozialen Interaktionen. Doch indem wir diese Einflüsse erkennen und hinterfragen, können wir beginnen, unser Leben bewusster und selbstbestimmter zu führen. Gleichzeitig bedenke immer, was eine Gewohnheit mit dir und deinem Leben macht, wenn du es über 10 Jahre lang ausführst? Das macht einen dramatischen Unterschied!
Und bitte bedenke auch eines: es geht nicht nur um deine persönlichen Gewohnheiten. Es gibt auch Gewohnheiten, die du in deinem Unternehmen hast. Und dadurch entsteht wiederum eine Kultur. Und diese prägt wiederum die Arbeit und ob du erfolgreich bist und bleibst.
Ich lade dich ein, heute mit einem kleinen Schritt zu beginnen: frage dich selbst bei der nächsten routinemäßigen Entscheidung, warum du das genau so machst. Und was würde passieren, wenn du diese Sache einfach einmal anders machst. Das kann bedeuten den Platz zu wechseln oder auch einmal Tee anstatt Kaffee zu trinken. Dieser einfache Akt des Innehaltens kann der erste Schritt zu einer neuen Gewohnheit und einem selbstbestimmteren Leben sein.
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